Der Ausdruck „Jugendstil“ hat einen guten Klang. Der Jugendstil gilt als hip, nostalgisch, kreativ und bunt.
Er hat nur einen Nachteil: Es gibt ihn nicht!
Nun ja, zumindest nicht im Sinne eines klar definierten „Stils“ mit einem abgrenzbaren Formenschatz wie z. B. die Gotik oder der Barock.
Jugendstil - das kann kühler, geradliniger Minimalismus sein wie z.B. der „Sezessionsstil“ in Wien.
Jugendstil - das können aber auch kurvige, florale Linien sein, wie etwa in der französischen „Art Nouveau“ in Paris oder in der Karlsruher Partnerstadt Nancy.
Der Jugendstil zeigt in jedem Land, in jeder Stadt, bei jedem Künstler ein anderes Bild. Im Westen und Süden Europas liebte man es eher geschwungen, verspielt oder sogar überladen; im Osten und Norden Europas oft eher abstrakt, streng und geometrisch.
So liegen gestalterische Welten zwischen den Schöpfungen von Antoni Gaudí in Barcelona, Victor Horta in Brüssel oder Charles Rennie Mackintosh in Glasgow:
Der ganz moderne Impuls „Jeder ist sein eigener Künstler!“
Die Künstler (und Künstlerinnen!) des Jugendstils wollten die endlosen Stilkopien (den „Historismus“) des 19. Jahrhunderts überwinden, also die Retro-Stile wie Neogotik, Neorenaissance, Neobarock usw. (Wer übrigens wissen möchte, wie diese historischen Stile genau aussehen, braucht nur einen 10-, 20-, 50- oder 100-Euro-Schein zu studieren!)
Der Jugendstil möchte die Kunst ins Leben bringen, die Schönheit in den Alltag. Das Ideal: ein völlig durchgestyltes „Gesamtkunstwerk“ – vom Sofakissen bis zum Städtebau, wie es später einmal formuliert wurde. Die Malerei spielt im Jugendstil daher keine größere Rolle – mit zwei berühmten Ausnahmen: Gustav Klimt und Edvard Munch.